Wunder von BernHintergrund /  Das 3:3
 

 Helle Aufregung um den vermeintlichen Ausgleichstreffer
 

Zum fünfzigsten Jahrestag des Berner Endspiels kündigt sich eine umfassende Aufarbeitung des Themas "Wunder von Bern" in zahlreichen Medien an. Vor allem das Fernsehen wird mittels wiederentdeckten Bildmaterials vom Finale einiges an neuen Erkenntnissen beisteuern können. Dieses neue Bildmaterial soll insbesondere belegen, daß es sich bei der von Herbert Zimmermann wie folgt kommentierten Passage "Und Kocsis flankt - Puskas abseits - Schuß - aber nein, kein Tor! Kein Tor! Kein Tor! Puskas abseits" tatsächlich um kein Abseitstor, also um einen regulären Treffer gehandelt haben soll. Dies sorgt nun für Aufregung in der Öffentlichkeit, doch tatsächlich sind die "Abseits-Vorwürfe" nicht neu. Schon 1957 brachte Ferenc Puskas, Star der ungarischen Mannschaft von 1954, das Abseitstor in diversen Interviews ins Spiel.

 

 Tor oder kein Tor?

  

Fakt ist: Sollten die neuen Fernsehbilder, die demnächst in ARD und ZDF zu sehen sein werden, tatsächlich beweisen, daß der Schuß von Puskas nicht aus einer Abseits-Position abgegeben wurde, ändert dies wohl wenig am Sieg der deutschen Nationalelf. Ob Tor oder nicht Tor ist eine Entscheidung, die dem Schiedsrichter obliegt. Hierbei handelt es sich eine sog. Tatsachenentscheidung, d.h., wenn der Unparteiische auf Tor erkennt, ist es ein Tor. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall. Daß heute Spekulationen darüber angestellt werden, wie das Spiel nach einem Ausgleich Ungarns ausgegangen wäre, ist aufgrund des hypothetischen Charakters solcher Überlegungen wenig hilfreich.

  
 Die Rolle von Schiedsrichter Ling
 

Im Zusammenhang mit dem 3:3 wird immer wieder ins Felde geführt, daß der englische Schiedsrichter bewußt gegen die Ungarn entschieden hätte. Schließlich wären sie es gewesen, die anno 1953 das Kunststück vollbrachten, England als erste Mannschaft auf eigenem Boden (6:3) zu schlagen. Das aberkannte Tor soll demgemäß die "Rache" hierfür sein. Es scheint allerdings wenig sachgemäß, dem englischen Schiedsrichter Ling seine Souveränität abzusprechen und ihm ein solch plumpes Denken zu unterstellen. Im Laufe des Spiels gab es hierfür keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr verhält es sich so, daß Schiedsrichter Ling das vermeintliche Tor zunächst geben wollte, bevor er von seinem walisischen Linienrichter auf die Abseitsstellung aufmerksam gemacht wurde. Zudem: Wenn man schon so verschwörerische Theorien anzustellen versucht, sollte man nicht außer Acht lassen, daß es wohl mehr als unwahrscheinlich ist, daß ausgerechnet ein Engländer die Deutschen neun Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg bevorzugt hätte. Zumindest spricht dies nicht gerade für ein ausgeprägtes zeitgeschichtliches Bewußtsein.

  
 Fazit
 

Daß etwaige Fehlentscheidungen des Schiedsrichters zu unbefriedigenden Ergebnissen führen können, hat Deutschland in besonderem Maße 1966, als das berühmte "Wembley-Tor" geschossen wurde, selbst erfahren müssen. Alles in allem sind Spielbeeinflussungen des Schiedsrichters, die unvermeidlich sind, Gang und Gebe und nichts dürfte daher ferner liegen, als über hypothetische Kausalverläufe bei Fußballspielen zu spekulieren.  

 

Letztlich gilt das gleiche wie das zu den Doping-Vorwürfen gesagte: Hauptsächlich geht es im Zeichen des Medienzeitalters darum, fünfzig Jahre nach dem Endspielsieg gegen Ungarn Sensationelles zu vermelden.  

 
 

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