Wunder von Bern Hintergrund /  Zeitzeugen
 

 Zeitzeugen berichten!
  
Im Folgenden sollen die zu Wort kommen, die 1954 live dabei waren. Zwei Zeitzeugen konnten bisher gewonnen werden, die das 54'er Finale live verfolgen konnten.
 
Besonderer Dank gebührt an dieser Stelle Simon S. und Nadine Leitner, die die folgenden Interviews bei ihren Großeltern durchgeführt haben.
  

Sehr geehrter Herr Büchler, sehr geehrter Herr Hartlsried wenn man fragen darf, wie alt waren Sie 1954, wo haben Sie gelebt und was haben Sie damals (beruflich) gemacht?

Helmut Büchler Joseph Hartlsried 

Ich war damals 27 Jahre alt, lebte in Schneeberg (Unterfranken) und war Arbeiter.

1954 war ich 23 Jahre alt und war gerade im ersten Semester für das Lehramt (Fächer Sport, Germanistik und Geographie) an der LMU München eingeschrieben.

 

Waren Sie damals selbst aktiver Fußballer oder kam Ihr Interesse „nur“ als Fan zu Stande?

Helmut Büchler Joseph Hartlsried 

Ich war aktiv im lokalen Verein, wir spielten in der Kreisklasse.

In erster Linie war ich Fan, freizeitmäßig habe ich aber oft mit Kommilitonen das runde Leder getreten.

 

Wo und wie haben Sie die WM 1954 und wo haben Sie insbesondere das Finale verfolgen können? Am heimischen Radio, in der Gaststätte oder sogar am Fernseher, allein, mit Freunden?

Helmut Büchler Joseph Hartlsried 

Das Finale habe ich im Gasthaus am Fernseher verfolgt, den Rest der Spiele im Radio.

Die Vorrundenspiele habe ich am Radio verfolgt. Das Finale habe ich natürlich in der Kneipe am Fernseher gesehen. Ich saß in der ersten Reihe, weil ich mir frühzeitig einen Platz gesichert hatte. Allerdings mußte ich diesen guten Platz auch mit der Verköstigung unzähliger Biere teuer bezahlen.

 

Was waren Ihre persönlichen Empfindungen beim Endspielsieg?

Helmut Büchler Joseph Hartlsried 

Alle sind durch die Ortschaft gezogen, es herrschte große Euphorie.

Es war unheimlich erfreulich, daß die eigene Mannschaft so ein großartiges Ziel erreicht hatte. Und als Fan und Unterstützer, wenn auch nur in der Heimat und vor dem Fernseher, war man unheimlich stolz auf das Erreichte, zumal man ja dieser Tage auf nichts stolz sein konnte, was mit Deutschland in Verbindung stand.

 

Wie wurde der Sieg in Ihrem persönlichen Umfeld wahrgenommen? Wurde gefeiert, viel darüber gesprochen und wenn ja, was?

Helmut Büchler Joseph Hartlsried 

Wir schwebten einige Wochen auf Wolke sieben, es herrschte mittelfristig Feststimmung.

Die anschließende Feier überdauerte den Sonntag bis zum Montag, es wurde gefeiert wie nie mehr später. Das Thema Weltmeisterschaft büßte auch die nachfolgenden Wochen nichts an seiner Aktualität ein. Beim Fußballspielen kamen alle mit selbst gemachten Fritz Walter- oder Helmut Rahn- Trikots.

 

Heute wird dem "Wunder von Bern“ vielerlei gesellschaftlich positive Wirkung zugeschrieben, v.a. eine gewisse Aufbruchsstimmung, die letzten Endes den Weg zum „Wirtschaftswunder“ ebnen sollte oder das oft zitierte „Wir- sind- wieder- wer- Gefühl“, das zu neuem nationalen Selbstbewußtsein nach dem verlorenen Krieg führen sollte. Können Sie das bestätigen? Haben Sie das auch wahrnehmen können?

Helmut Büchler Joseph Hartlsried 

Es war das erste Erfolgserlebnis für unsere Nation nach dem Krieg, das war ohne Zweifel sehr wichtig.

Wie schon gesagt, man konnte stolz auf etwas sein, das aus Deutschland kam. Und das zurecht nach dem Krieg verlorene nationale Selbstbewußtsein wurde wiederentdeckt, jedoch nicht in Übertreibung, es war schon so, das man den sportlichen Erfolg als solchen wertete und ihn nicht ins politische übertrug.

 

Zum Fußball: Wer war Ihre damalige Lieblingsmannschaft?

Helmut Büchler Joseph Hartlsried 

Als Franke der 1.FC Nürnberg.

Obwohl es eigentlich nicht möglich ist, war und bin ich als Münchner Anhänger sowohl des TSV als auch des FC Bayern. 

 

Die WM war in aller Munde und somit auch in den damals vorhandenen Medien stark repräsentiert. Wie haben Sie ansonsten den Fußball, beispielsweise Spiele Ihrer Lieblingsmannschaft, damals verfolgen können? Im Stadion, im Radio oder über Zeitungen?

Helmut Büchler Joseph Hartlsried 

In der Zeitung oder im Radio.

Ich war natürlich oft in München vor Ort bei den Spielen. Ansonsten war der Sportteil der Tagespresse Pflichtlektüre.

 

Wer war Ihr Lieblingsspieler der „Helden von Bern“ und warum?

Helmut Büchler Joseph Hartlsried 

Fritz Walter war ein hervorragender Techniker und absolut fairer Sportsmann.

Obwohl auch ein Münchner dabei war, war mein absoluter Held Fritz Walter. Er verkörperte alles, was einen guten Fußballer ausmachte. Aber insgesamt hat mir der absolute Mannschaftsgeist imponiert, wofür Fritz Walter auch einen gehörigen Teil geleistet hat.

 

Die Aussicht der DFB- Elf, die übermächtigen Ungarn schlagen zu können war aussichtslos. Haben Sie dennoch den Endspielsieg erwartet oder erhofft?

Helmut Büchler Joseph Hartlsried 

Nein, damit hat keiner gerechnet, da bin ich keine Ausnahme. Allein, das Finale zu erreichen, war schon ein riesiger Erfolg.

Natürlich sprach die Lage absolut gegen die Deutschen und ein solches Ergebnis hatte niemand erwarten können. Obwohl ich mir naiv vorkam: als Fan konnte ich dennoch einen Funken Hoffnung nicht verstecken.

 

Herr Büchler, Herr Hartlsried  Sie kennen drei deutsche Weltmeister- Mannschaften, die von 1954, 1974 und 1990, eine weitere kommt hoffentlich 2006 dazu. Was meinen Sie, macht den Unterschied zwischen diesen drei aus?

Helmut Büchler Joseph Hartlsried 

Die 54er waren spielerisch sehr stark und nutzen die großen Räume, aber die 74er waren wohl schon die beste Mannschaft die wir je hatten.

Die Berner Weltmeister haben in der Geschichtsbetrachtung natürlich den Vorteil, einmaliges geschafft zu haben, da es der erste Titel war. Und die Sensation des Sieges trägt zum Mythos bei. 1974 war es ein absolutes Spitzenteam, das ja auch den Heimvorteil hatte, aber auch die Römer Weltmeister waren eine Mannschaft, die wohl aufgrund ihrer Klasse den Titel verdient hatte. Als Überraschungssieger stechen die 54er da natürlich heraus.

 

Wo sehen Sie überhaupt Unterschiede zwischen dem Fußball von 1954 und heute?

Helmut Büchler Joseph Hartlsried 

Damals wurde schöner, weniger athletisch gespielt, die Spieler hatten mehr Raum, waren technisch beschlagener. Von daher war das Spiel attraktiver und es fielen mehr Tore.

Da fällt mir vor allem das Geld ein. Heute geistert ja auch der Begriff der „Scheiß- Millionäre“ durch die öffentliche Diskussion. Was aber internationale Turniere wie WM und EM anbelangt, da fühlt sich wohl jeder Landsmann bei der nationalen Ehre gepackt.

 

Vielen Dank für das Interview.

 
  

[impressum/ rechtliches] 

 
 

 

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

nach oben