Wunder von BernKult /  Radioreportage
 

 Mythos 
 

Der Mythos um den Erfolg der deutschen Elf bedingt wohl mehrerer Umstände. Nicht zu letzt hat die legendär gewordene Radioreportage Herbert Zimmermanns einen erheblichen Anteil daran, daß der Sieg von 1954 wohl als der größte der drei deutschen Titel gelten darf. Daß es ausgerechnet Zimmermann war, der das Finale von Bern ins Gedächtnis Fußball- Deutschlands brachte, verdanken wir dem Zufall: Zwischen den vier deutschen WM- Reportern Zimmermann, Kurt Brumme, Gerd Krämer und Rudi Michel wurde gelost, wer das erste Spiel kommentieren durfte. Der Reihenfolge nach entfiel neben der Vorrunden- Begegnung das Endspiel in Zimmermanns Hände.  

 

Die Ausgangsposition: klar, Fernseher gab es natürlich schon in den 50er Jahren. Doch wer hatte einen? Der Bundespräsident und einige Gaststätten. Die Anzahl der privaten Haushalte, die damals bereits einen Fernseher hatten strebte stark gegen Null. Wer also nicht die Möglichkeit hatte, in einer Gastwirtschaft das Endspiel zu sehen, dem blieb nur das Radio, in den 30er und 40er Jahren als "Volksempfänger" zu nationalsozialistischen Zwecken als Propagandamittler populär geworden und weit verbreitet. Die, die sich bereits 1954 einen Urlaub leisten konnten, allerdings nicht im Ausland, sondern in Form des Campings allenfalls in Süddeutschland, hatten das Radio natürlich auch dabei. An jenem Sonntagnachmittag des 04.07. waren die sonst so bevölkerten Straßen der Bundesrepublik leergefegt wie nie zuvor.

 
 Radio Saarbrücken aus dem Wankdorf- Stadion
 

Reporter Herbert Zimmermann eröffnete seine Reportage mit den Worten "Deutschland im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft - das ist eine Riesen- Sensation - das ist ein echtes Fußball- Wunder.". Zu diesem Zeitpunkt entnehmen wir der Stimme Zimmermanns noch die Freude über diesen Umstand, seine Worte sind ruhig und großen Optimismus auf einen Sieg der Deutschen kann der Reporter angesichts anderslautender, erdrückender Fakten nicht verbreiten.

Herbert Zimmermann.
 

Nach der schnellen 2:0- Führung der Ungarn kommentiert Zimmermann: "Was wir befürchtet haben, ist eingetreten". Mit einer Überraschung rechnet in diesen Augenblicken niemand, auch nicht Zimmermann. Den Anschlußtreffer durch Morlock begleitet Zimmermann mit den Worten: "Gott sei Dank! Es steht nur noch 2:1. Und das sollte uns Mut geben". Nachdem Deutschland nach Ecke Walter und Schuß Rahn den Ausgleich markieren konnte, rollt eine Angriffswelle nach der andren gen deutsches Tor. Zimmermann ist in der Spannung des Spiels gefangen. Den Torhüter Turek, der einen großartigen Tag hat, kürt Zimmermann nach wiederholten Abwehrleistungen zum Teufelskerl und Fußballgott. Übrigens bringt ihm dieser Ausspruch Ärger in der Sendeleitung ein und in der Nachbearbeitung wird aus "Toni, du bist ein Fußballgott" "Toni, du bist Gold wert".

 

Dann soll es zum Führungstreffer der Deutschen kommen: "Sechs Minuten noch im Wankdorfstadion in Bern - keiner wankt. Unaufhörlich prasselt der Regen hernieder, es ist schwer, aber die Zuschauer harren (nicht) aus. Wie könnten sie auch? Eine Fußballweltmeisterschaft ist nur alle 4 Jahre. Und wann sieht man ein solches Endspiel? [...] Bozsik, immer wieder Bozsik der rechte Läufer der Ungarn hat den Ball - verloren, diesmal an Schäfer. Schäfer nach innen geflankt. Kopfball - abgewehrt. Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. Rahn schießt... Toooor! Toooor! Toooor! Toooor!". Zimmermann ist außer sich.

 

Zum Ende des Spiels überschlagen sich die Ereignisse: "Drei zu zwei  führt Deutschland fünf Minuten vor dem Spielende. Halten Sie mich für verrückt, halten Sie mich für übergeschnappt. Ich glaube, auch Fußball- Laien sollten ein Herz haben und sollten sich an der Begeisterung unserer Mannschaft und an unserer eigenen Begeisterung mitfreuen und sollten jetzt Daumen halten. Viereinhalb Minuten Daumen halten in Wankdorf. Drei  zu zwei führt Deutschland nach dem Linksschuß von Rahn, der flach im linken Eck einschlug [...] Drei zu zwei für Ungarn - für Deutschland - ich bin auch schon verrückt, Entschuldigung! [...] Und die Ungarn, wie von der Tarantel gestochen, lauern die Puszta- Söhne, drehen jetzt den siebten oder zwölften Gang auf, Und Kocsis flankt - Puskas abseits - Schuß - aber nein, kein Tor! Kein Tor! Kein Tor! Puskas abseits. [...] Fritz Walter zu Schäfer. Schäfer in Rechtsaußenposition. Könnte nach innen flanken. Schießt! Aber er schießt an das kurze Außennetz. Es gibt Abschlag vom Tor der Ungarn. Vielleicht lässt der Schiedsrichter auch nachspielen, wegen der einen oder zwei Verletzungen, die passiert sind. Die Ungarn sind völlig aus dem Häuschen. Deutschland ist wieder im Ballbesitz. Rahn hat den Ball bekommen. Rahn spielt zu Fritz Walter. Ball verfehlt. Puskas am Ball im Mittelkreis - aber Eckel springt dazwischen - hat abgewehrt. Die ganze deutsche Mannschaft setzt sich ein - mit letzter Kraft, mit letzter Konzentration. Ottmar Walter fällt hin. Boszik an zwei Deutschen vorbei - jetzt haben die Ungarn eine Chance - spielen ab zum rechten Flügel - Czibor - jetzt ein Schuß! Gehalten von Toni! Gehalten! [...] Die Ungarn erhalten einen Einwurf zugesprochen. Der ist ausgeführt - kommt zu Boszik - aus! Aus! Aus! Aus! Das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister. Schlägt Ungarn mit drei zu zwo Toren im Finale in Bern." 

 
 Legende
 

Für heute Verhältnisse außergewöhnlich emotional bringt Zimmermann das Endspiel in die deutschen Wohnzimmer. Eine Radioreportage, in England oder Brasilien vielleicht Alltag, die in Deutschland seines gleichen sucht. In allen Berichten heutiger Zeit über das 54er Finale wurden die schwarz- weiß Bilder des Spiels stets mit der Radioreportage Zimmermanns unterlegt. Mitursächlich für das Mythoswerden. Kaum jemand, der sich in Deutschland mit dem Fußball und seiner Geschichte beschäftigt, kennt die Worte Zimmermanns nicht. Selbst denen, die kein Interesse am runden Leder hegen, sind die Jubelrufe Zimmermanns bekannt: die deutsche Popgruppe "OKAY" landete in den 80er Jahren ein Hit mit einer Symbiose der Zimmermannschen Reportage und Tanzrhythmen. 

 

Nicht der Erfolg der Mannschaft allein, sondern auch die mitreißende Reportage Zimmermanns machten das Endspiel in Bern zum unvergessenen Mythos. Vielleicht kann sie Ansporn für die Kommentatoren der heutigen Zeit sein, neben sachlichen Analysen die Freude und den Enthusiasmus über das Spiel nicht zu vergessen...

 
 
 

[impressum/ rechtliches] 

 

 

  

 

Zusammenschnitt der legendäre Reportage von Herbert Zimmermann...  

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